Maßregeln der Besserung und Sicherung

§§ 61 - 72 StGB

"§ 61 StGB

Maßregeln der Besserung und Sicherung sind
1. die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
2. die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
3. die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
5. die Entziehung der Fahrerlaubnis,<br />
6. das Berufsverbot."

 

Im deutschen Strafrecht wird im Rechtsfolgenbereich zwischen Strafen und Maßregeln unterschieden. Selbst wenn sie dem Betroffenen so vorkommen mögen, sind Führungsaufsicht, Sicherungsverwahrung, Berufsverbot und andere Maßregeln keine „Strafe“ im Sinne des Strafgesetzbuchs. Maßregeln der Besserung und Sicherung können daher auch gegenüber schuldunfähigen Tätern angeordnet werden, bei denen eine Verurteilung zu Freiheits- oder Geldstrafen nicht möglich ist.

 

 

Maßregeln der Besserung und Sicherung werden entweder neben oder anstatt einer Strafe angeordnet. Voraussetzung ist stets eine Gefährlichkeitsprognose des Täters, durch die geklärt werden soll, ob von ihm künftig erneute relevante Straftaten zu erwarten sind. Die Prognose orientiert sich an der Schwere der begangenen Tat, der Schwere der zu erwartenden Taten und dem Grad der Wahrscheinlichkeit für eine erneute Straffälligkeit, der individuell festgestellt werden muss. Darüber hinaus muss die Anordnung einer Maßregel stets der Verhältnismäßigkeit entsprechen (§ 62 StGB), also im Vergleich zu der vom Täter begangenen und den zu erwartenden Strafen nicht ungerechtfertigt schwer wiegen.

 

1. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, § 63 StGB

Gemäß § 63 StGB ist die Unterbringung eines Täters in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, wenn er im schuldunfähigen oder vermindert schuldfähigen Zustand eine rechtswidrige Tat begangen hat und zu erwarten ist, dass er aufgrund dieses Zustands künftig weitere erhebliche Straftaten begehen wird. Der Täter muss ferner aufgrund dieser Erwartung für die Allgemeinheit, deren Schutz § 63 StGB dient, eine Gefahr sein. Zur Feststellung muss ein Sachverständiger hinzugezogen werden; nach § 80a StPO kann dies auch schon im Vorverfahren geschehen und der Täter dazu zur Beobachtung in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht werden.

 

Im psychiatrischen Krankenhaus können Täter mit einer psychischen Erkrankung oder einer geistigen Behinderung untergebracht werden. Eine bloße Abhängigkeit von Betäubungsmitteln oder Alkohol, die nicht auf einer psychischen Störung beruht, reicht dagegen nicht aus. 

 

Sie können hier mehr dazu lesen, auf welche Weise ein Strafverteidiger Ihnen oder Ihren Angehörigen helfen kann, falls die Anordnung einer Unterbringung im Raum steht.

 

2. Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, § 64 StGB

Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt dient hauptsächlich der Heilung des Täters, aber auch dessen Sicherung. Voraussetzung für die Unterbringung ist ein sicher festgestellter Hang zum Konsum von Rauschmitteln, d.h. Alkohol oder Betäubungsmitteln, sowie ein symptomatischer Zusammenhang zu den begangenen Straftaten.

 

Ein Hang ist eine den Täter treibende oder beherrschende Neigung, das Rauschmittel im Übermaß zu konsumieren, d.h. in einem Umfang, durch den Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt werden. Abzugrenzen ist der Hang vom bloßen Missbrauch von Rauschmitteln. Abgrenzungsmerkmal ist unter anderem die Fähigkeit zur Kontrolle von Maß und Häufigkeit des Konsums.

 

Die Anlasstat, aufgrund derer die Unterbringung angeordnet wird, kann eine rechtswidrige Tat beliebiger Art sein, muss jedoch entweder im Rausch begangen worden sein oder im Hang zum Rauschmittelkonsum wurzeln. Klassisches Beispiel sind Delikte aus dem Bereich der Beschaffungskriminalität. Es muss ferner zu erwarten sein, dass der Täter künftig aufgrund seines Hanges weiterhin Straftaten begehen wird, und dass ihm durch die Unterbringung eine hinreichend konkrete Aussicht auf Heilung gegeben wird.

 

In der Hauptverhandlung ist über den Zustand des Angeklagten und über seine Behandlungsaussichten zwingend ein Sachverständiger zu hören, § 246a StPO.

 

3. Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, § 66 StGB

Die gesetzlichen Regelungen zur Sicherungsverwahrung wurden mit Wirkung zum 1. Juni 2013 reformiert, nachdem sie in ihrer zuvor geltenden Fassung vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurden.

 

Die Sicherungsverwahrung kann im Urteil angeordnet oder vorbehalten oder unter Umständen auch nachträglich angeordnet werden. Sie dient dem Schutz der Allgemeinheit vor einem Straftäter, der aufgrund seines "Hanges" eine intensive Neigung zu Rechtsbrüchen erheblicher Art hat und deswegen immer wieder erheblich straffällig werden würde, wenn ihm die Gelegenheit geboten wird. Zur Feststellung dieses Hangs dient die Prognose eines Sachverständigen, der gemäß § 246a StPO hinzugezogen werden muss.

 

Die Sicherungsverwahrung und ihr Vollzug unterliegt seit der Reform im Jahre 2013 strengen Anforderungen. Sie darf nur als ultima ratio, also als letztes Mittel angeordnet werden. Während des Vollzugs wird ihre Fortdauer mindestens einmal jährlich gerichtlich überprüft. Der Vollzug muss außerdem getrennt vom gewöhnlichen Strafvollzug stattfinden und dem Verwahrten müssen Hafterleichterungen gewährt werden, weil der Grund für die Sicherungsverwahrung nicht mehr seine persönliche Schuld, sondern das Schutzbedürfnis der Allgemeinheit ist.

 

4. Führungsaufsicht, § 68 StGB

Führungsaufsicht kann dann angeordnet werden, wenn es im Gesetz speziell vorgesehen ist. Dies ist zum Beispiel in § 239c StGB für die Fälle von erpresserischem Menschenraub und Geiselnahme geschehen, in § 263 StGB (Betrug) oder in § 321 StGB für eine Reihe sonstiger Delikte, zum Beispiel Brandstiftungsdelikte. Der Täter muss eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verwirkt haben und als Ergebnis seiner individuellen Prognose muss feststehen, dass die Gefahr besteht, dass er weitere Straftaten begehen wird. Die Anordnung der Führungsaufsicht steht im Ermessen des Gerichts.

 

Während der Führungsaufsicht untersteht der Täter der Überwachung einer Aufsichtsstelle und eines Bewährungshelfers. Außerdem erteilt das Gericht ihm für die Dauer der Führungsaufsicht oder eine kürzere Zeit Weisungen. Die Möglichkeiten zur Weisungserteilung sind vielfältig und werden auch gerne genutzt. Typische Weisungen sind die Anordnung eines Kontaktverbots oder eines Aufenthaltsverbots, einer Meldepflicht, regelmäßiger Urinkontrollen zur Überprüfung des Betäubungsmittelkonsums oder die Anweisung, sich regelmäßig bei einem Therapeuten oder Ärzten vorzustellen. 

 

5. Entziehung der Fahrerlaubnis, § 69 StGB

Bei der Verurteilung wegen Taten, die im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen werden, ordnet das Gericht die Entziehung der Fahrerlaubnis an, wenn sich aus der Tat ergibt, dass der Täter ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. § 69 Absatz 2 StGB enthält eine Aufzählung von Taten, bei denen regelmäßig davon auszugehen ist, dass der Täter nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Dies sind

  • Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c)
  • der Trunkenheit im Verkehr (§ 316)
  • des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder
  • des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der vorgenannten Taten bezieht

Die Begehung von Ordnungswidrigkeiten reicht dagegen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB nicht aus.

 

Die Ungeeignetheit des Fahrers kann auf körperliche, geistige oder charakterliche Mängel zurückzuführen sein. Das Gericht muss annehmen, dass der Täter eine Gefährdung für die Verkehrssicherheit darstellt. Es muss sich bei der Beurteilung grundsätzlich keines Sachverständigen bedienen; die Rechtsprechung geht davon aus, dass die eigene Sachkunde des Gerichts ausreicht. 

 

Mit der Anordnung der Entziehung wird gleichzeitig eine Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis erteilt. Die Dauer der Sperre liegt zwischen 6 Monaten und 5 Jahren; im Einzelfall kann das Gericht sie aber auch für immer anordnen. 

 

6. Berufsverbot, § 70 StGB

Falls eine rechtswidrige Tat in einem berufstypischen Zusammenhang begangen wird, kann das Gericht gemäß § 70 StGB ein Berufsverbot aussprechen und dem Täter verbieten, sich für eine Dauer zwischen einem und fünf Jahren nach Rechtskraft des Urteils in seinem Beruf, Berufszweig, Gewerbe oder Gewerbezweigs zu betätigen. Falls das Gericht diese Frist für nicht ausreichend erachtet, kann das Berufsverbot auch für immer angeordnet werden.

 

Der Täter muss eine ihm durch den Beruf gegebene Möglichkeit bewusst und planmäßig zur Begehung der Tat ausgenutzt haben. Die Tat muss in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Beruf oder Gewerbe und den damit verbundenen Tätigkeiten oder der damit einhergehenden Stellung stehen. Darüber hinaus muss die Gefahr bestehen, dass der Täter auch künftig erhebliche Straftaten in diesem Zusammenhang begehen wird.

 

Frühestens nach einem Jahr kann ein Berufsverbot gemäß § 70a StGB zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn neue Fakten die Annahme rechtfertigen, dass die Gefahr der Begehung von Straftaten nicht mehr besteht. Dies gilt auch für das lebenslange Berufsverbot.

 

Kommt die Verhängung eines Berufsverbots in Betracht, liegt gemäß § 140 Absatz 1 Nr. 3 StPO ein Fall der notwendigen Verteidigung vor und es muss ein Pflichtverteidiger bestellt werden.

 

Strafverteidigung Mannheim

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